Geht die Gemeinde glaubwürdig mit ihren Bürgern um?
Sollen und können wir es uns leisten, uns verschaukeln zu lassen?
Die Gutachten
Die im Video angesprochenen Gutachten wurden auf privatem Wege über Anträge nach Umweltinformationsgesetz und gegen Zahlung von Verwaltungsgebühren in Höhe von 96,65 € bei der Verwaltung beantragt. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Gutachten:
- Raumluftgutachten TÜV/Nord vom 11.01.2012 (2 Räume, Messung November 2011)
- Prüfbericht 20190482 , Dräger Safty AG & Co KGaA vom 21.03.2019 (4 Räume, fälschlicherweise durch die Gemeinde ins Jahr 2018 datiert)
- Prüfbericht 20191356 , Dräger Safty AG & Co KGaA vom 06.08.2019 (4 Räume)
- Raumluftgutachten CHA-20-0262, WESSLING GmbH vom 07.12.2020 und 01.02.2021(6 Räume, Messung Oktober 2020, Nachmessungen Januar 2021)
Bei den weiteren im Video gezeigten Gutachten handelt es sich um Untersuchungen aus dem Realschulgebäude Mellendorf (2013) und der Grundschule Elze (2007, 2007, 2008, 2017, 2018).
Auffällige Messwerte von 2011 werden ignoriert
In der Beschlussvorlage „Campus W – Maßnahmen zur Verbesserung der Raumluftqualität“ vom 13.05.2019 findet sich zum Abschluss des Punktes II. Sachverhalt folgender Satz: „Zwei Untersuchungen 2011 und 2018 ergaben keine Hinweise auf Schadstoffbelastungen durch ausdünstende Bauteile.“
https://www.wedemark.de/allris/vo020.asp?VOLFDNR=1536
Diese Aussage entspricht nicht der Wahrheit.
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Im Gutachten des TÜV Nord vom 11.01.2012 werden in beiden getesteten Räume Richtwertüberschreitungen festgestellt. Insgesamt werden 13 Stoffe als auffällig benannt. Der Gutachter sieht „Handlungsbedarf“ und empfiehlt die Einführung eines „intensiven Lüftungsregimes“ und formuliert dazu auf Seite 11 des Gutachtens:
„Ob das empfohlene Lüftungsregime allein ausreicht, um die VOC-Gehalte in der Raumluft auf ein hygienisch unbedenkliches Niveau zu reduzieren, ist durch erneute Raumluftuntersuchungen in einem zeitlichen Abstand von einem halben Jahr zu belegen“
Diese Untersuchungen finden allerdings nicht statt.
Besonders unverständlich ist dabei, dass die Adressatin des Gutachtens im Jahr 2012 und die Verfasserin der Beschlussvorlage im Jahr 2019 ein und dieselbe Person sind.
Doppelte Messungen mit „Drägerröhrchen“ 2019
Diese Messungen stellen keine normierten Messungen dar und eignen sich deshalb lediglich dazu, einen Überblick über mögliche Auffälligkeiten zu bekommen. Dazu werden Teströhrchen für 14 Tage in den Raum gehängt und dann ins Labor eingeschickt.
Die in der Beschlussvorlage angesprochenen Messungen aus dem Jahr 2018 wurden eigentlich im Februar 2019 durchgeführt. Dabei wurden in 2 der 4 geprüften Räume auffällige Gesamtwerte gemessen.
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Wahrscheinlich deshalb wurden diese Messungen dann im Sommer 2019 noch einmal wiederholt, dabei zu Teilen in den Sommerferien. Bei den gleichen Räumen wurden diesmal in 2 der vier Räume auffällige Einzelwerte ermittelt, im Container-Raum C06 wurde ein TVOC-Wert von TVOC: 5590 µg/m³ festgestellt und als „sehr auffällig“ bewertet.
Die im Video getätigte Aussage „Mit Ergebnissen, die diesmal sogar, z.B. in den Container-Räumen, eine Schließung verursacht hätten, wären es genormte Messungen gewesen.“ ist vor folgendem Hintergrund getroffen worden:
Mit diesem Wert wäre laut T-VOC-Konzept des Umweltbundesamtes bei einer normierten Messung eine Nutzung nur noch unter einer Dauer von einem Monat zulässig, eine Kontrollmessung innerhalb eines Monats wird in einem solchen Fall gefordert (Stufe 4 von 5 „Hygienisch bedenklich“).
Im Raum C06 hat es danach allerdings keine weiteren Messungen mehr gegeben, auch waren keine Container-Räume Teil der Messungen aus dem Jahr 2020.
Besondere Rahmenbedingungen 2020
Ausgleichsbedingungen vs. Nutzungsbedingungen
Bei allen mir vorliegenden Unterlagen zu in der Gemeinde Wedemark durchgeführten Raumluftuntersuchungen wurden die Messungen auch unter Ausgleichsbedingungen durchgeführt. Im Gutachten aus der Grundschule Elze im Jahr 2018 (hier wurde sowohl unter Ausgleichs-, als auch unter Nutzungsbedingungen gemessen) schreibt die gleiche Firma, die auch 2020 die Messungen im Schulzentrum Mellendorf durchführte, dazu auf Seite 5:
„Um insgesamt mehr Informationen zu Quellen von leichtflüchtigen organischen Verbindungen im Raum (u.a. Baumaterial, Möbel) zu erhalten, erfolgt die Messung unter Ausgleichsbedingungen. […] Mit dieser Messstrategie wurden unter anderem die Innenraumarbeitsplatz-Orientierungswerte der AGÖF (Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute, 2013) abgeleitet.“
Sind das noch Nutzungsbedingungen?
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Die geltenden Regeln für eine Messung unter Nutzungsbedingungen wurden, wenn man allein die Lüftungszeiten am Messtag betrachtet, anscheinend eingehalten.
ABER: Sollten dann nicht die übrigen Rahmenbedingungen auch zur Nutzung als Schule passen?
Hier dehnt die Gemeinde Wedemark den Rahmen ganz gewaltig aus. Nach meiner Meinung hatten die tatsächlichen Rahmenbedingungen mit sogenannten nutzungstypischen Bedingungen einer Schule nicht mehr viel zu tun.
Der dazu angefragte Sachverständige Roland Braun schreibt zu den beobachten Lüftungsaktvitäten in einer E-Mail vom 21.10.2020:
„Natürlich beeinflussen das Raumklima und die Lüftungsbedingungen die Raumluftqualität und ggf. vorhandene Raumluftbelastungen. Grob gesagt, dünsten flüchtige organische Verbindungen/flüchtige Aldehyde bei höheren Temperaturen stärker aus als bei niedrigeren Temperaturen. Grundsätzlich kann aber auch ein gezieltes Lüften durchaus ein sinnvolle Strategie sein, um Raumluftbelastungen zu minimieren. Ob das dann einen lang anhaltenden oder nur vorübergehenden Effekt führt, hängt dann davon ob, ob die Quelle für die vorhandenen Luftschadstoffe noch vorhanden ist oder nicht. Wenn ein solches Lüften aber nur im Hinblick auf eine anstehende Raumluftmessung erfolgt, entspricht das nicht den geforderten repräsentativen Messbedingungen.“
[…] und weiter:
„Ich fordere daher für meine Raumluftmessungen immer, dass die zu überprüfenden Räume ab mindestens drei Tage vor der Lüftung normal geheizt und wie im Normalbetrieb üblich gelüftet werden. […] da ein, vom Normalbetrieb abweichendes, stundenlanges Lüften in den Tagen vor einer Raumluftmessung sicher nicht die üblichen Expositionsbedingungen abbildet.“

„Der erste Schritt ist einfach: Die Wahrheit sagen und die Unterlagen veröffentlichen.“
Initiator Thorsten Rose